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Referentenentwurf zum Psychotherapeutenausbildungs-reformgesetz: Grundsätzliche Zustimmung bei viel Nachbesserungsbedarf

von Martin Klett

Er hat, wie Sie sicherlich gelesen haben, die unterschiedlichsten Meinungen und Kontroversen ausgelöst: Der Referentenentwurf zum Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz, den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 3. Januar 2019 vorgelegt hat.
Der Entwurf erscheint uns aber geeignet, die dringend benötigten Änderungen bezüglich des PsychThG auf den Weg zu bringen. Wir begrüßen, dass als grundlegende Struktur ein zur Approbation führendes Studium mit anschließender Weiterbildung vorgesehen ist. Sehr gut ist auch, dass die bisher bewährten Ausbildungsinstitute zukünftig als Weiterbildungsinstitute vorgesehen sind. Den im Entwurf formulierten Weiterbestand des Wissenschaftlichen Beirates begrüßen wir, da dies eine Verbindung zwischen Ärzten und PP/KJP-Psychotherapeuten bezüglich der gemeinsamen Versorgung unserer Patienten sichert.
Begrüßt wird auch, dass nun die Feststellungen des Wissenschaftlichen Beirats zur berufsrechtlichen Zulassung eines Verfahrens gleichzeitig auch die sozialrechtliche Zulassung bedeuten soll. Die bisher doppelte Verfahrensprüfung (berufsrechtlich durch den Wissenschaftlichen Beirat, sozialrechtlich durch den Gemeinsamen Bundesausschuss) könnte somit entfallen. Rechtlich völlig geklärt ist das aber noch nicht.

In einigen Punkten erfüllt der Entwurf aber auch überhaupt nicht unsere Erwartungen. Die Liste unserer Argumente und Kritikpunkte können Sie in unserer offiziellen Stellungnahme (Verlinkung auf Dokument unter Unsere Positionen in Interessenvertretung) nachlesen, die unser Vorstandreferent für den Bereich Ausbildung, Robin Siegel, in unserem Namen erstellt und am 4. Februar in der Anhörung im Bundesgesundheitsministerium erläutert hat.

Ein Knackpunkt: Die Bestimmungen zur Finanzierung der ambulanten Weiterbildung.
Während der stationäre Teil der Weiterbildung wohl ausreichend finanziert werden kann, sind die im Entwurf enthaltenen Bestimmungen hierzu nicht ausreichend. Der Entwurf sieht zwar vor, dass die zukünftigen Weiterbildungstherapien analog der Vergütung der bisherigen Ausbildungstherapien vergütet werden sollen, also so wie die Therapien in den Praxen der Niedergelassenen. Dies reicht aber bei Weitem nicht aus, um eine ambulante Weiterbildungsphase mit einer angemessenen Vergütung der Weiterbildungsteilnehmer realistisch umzusetzen. Die reinen Entgelte der Psychotherapeuten in Weiterbildung aus deren Behandlungsleistungen reichen nicht aus, um alle Kosten der Weiterbildungskandidaten finanzieren zu können. Die Kosten für die Weiterbildungsambulanzen, die dann ja zukünftig die Rolle eines Arbeitgebers gegenüber den Weiterbildungsteilnehmern haben, können durch die erbrachten Behandlungsleistungen der Weiterbildungsteilnehmer nicht gegenfinanziert werden. Anfallende Kosten z.B. für Personalverwaltung, Räumlichkeiten und insbesondere für die Supervision, Selbsterfahrung und den theoretischen Unterricht der Weiterbildungsteilnehmer können durch die im Entwurf vorgeschlagene Finanzierung nicht abgedeckt werden. Für diese Kosten muss der Gesetzgeber weitere Finanzierungsmöglichkeiten schaffen, um die finanziellen Bedingungen der zukünftigen Weiterbildungskandidaten wirklich zu verbessern, was ja ein zentrales Ziel des Reformvorhabens ist!

Ich will aber heute noch zwei weitere Punkte rausgreifen, die derzeit für große Diskussionen sorgen: Diese betreffen die Fragen nach der Berufsbezeichnung und die Kontroverse um die Legaldefinition – also um die Frage, was darf der Psychotherapeut wozu und womit. Auch bei der Berufsbezeichnung sehen wir Änderungsbedarf. Der Entwurf definiert die Berufsbezeichnung zur Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie nach der Approbation mit „Psychotherapeut/in“. Ärztinnen und Ärzte dürfen laut Gesetzesentwurf die Bezeichnung mit dem Zusatz „ärztlich“ verwenden. Wir schlagen vor, dass Ärztinnen und Ärzte die Bezeichnung auch mit dem Zusatz „ärztlich“ bzw. „fachärztlich“ verwenden dürfen. Der Zusatz fachärztlich wäre dann zu verwenden, wenn Psychotherapie ein Teil der Facharztausbildung darstellt, der Zusatz „ärztlich“ für andere Ärzte mit Zusatztitel zur näheren Kennzeichnung.
Die Berufsbezeichnung wird in unserem gemischten Berufsverband absehbar für intensive Diskussionen sorgen, aber auch in weiten Teilen der Ärzteschaft. Einige Ärzteverbände und auch die Bundesärztekammer haben den Entwurf bereits rundweg abgelehnt.

Auch über die Legaldefinition wird sehr engagiert diskutiert. Der Referentenentwurf hält weitgehend an der bisherigen Definition fest, führt aber mit „Therapieformen“ einen sehr unbestimmten und unklaren Begriff neu ein:
„Ausübung der heilkundlichen Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter und auf Evidenz geprüfter psychotherapeutischer Therapieformen vorgenommene berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“
Diese enge Definition unserer Tätigkeit ist schon länger umstritten, da sie im Grunde genommen alle berufsmäßig ausgeübte Tätigkeit zur Erforschung und Erprobung neuer Methoden ausschließt. Schon die Durchführung von Psychotherapeutischen Sprechstunden und Akutbehandlung kann mit einer engen Auslegung dieser Definition kritisch gesehen werden, da unsere Tätigkeit ja ausschließlich auf die Berufsausübung mittels der Richtlinienverfahren beschränkt ist. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat deshalb eine offene Formulierung der Legaldefinition vorgeschlagen: „Ausübung von Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung von psychischen Erkrankungen sowie zur Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“
Nach gründlicher Überlegung haben wir uns diesem Vorschlag angeschlossen, da diese Formulierung die Psychotherapeuten nicht mehr per Gesetz auf bestimmte Mittel oder Verfahren beschränkt, sondern ihre Heilkundeerlaubnis ähnlich den anderen Heilberufen regelt. (z.B. Bundesärzteordnung §2(5): Ausübung des ärztlichen Berufs ist die Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung “Arzt” oder “Ärztin”.)
Es gibt aber auch in unserem Verband andere Sichtweisen zu der offenen Legaldefinition. Befürchtet wird, dass mit dem Wegfall der Beschränkung der Berufsausübung auf die Richtlinienverfahren einer Beliebigkeit und Willkür in der Berufsausübung Tür und Tor geöffnet würde.
Wir halten diese Sorge einerseits für nachvollziehbar, andererseits glauben wir aber nicht, dass durch eine enge Legaldefinition die Richtlinienverfahren, insbesondere die psychodynamischen, wirklich geschützt werden. Der Referentenentwurf zeigt das eindrücklich: Dort ist die enge Legaldefinition beibehalten, aber ansonsten wird nirgends das festgeschrieben, was wir bezüglich der Erhaltung der Verfahrensvielfalt fordern, nämlich die Lehre der Verfahren in ihren Grundzügen schon im Studium. Wir halten dies für den weitaus wichtigeren Schutz der Richtlinienverfahren! Einen weiteren Schutz sehen wir in der Erhaltung des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie, der ja nun auch für die Anerkennung der sozialrechtlichen Berufsausübung zuständig sein soll. In der Berufsausübung wird damit berufs- wie auch sozialrechtlich dem befürchteten Wildwuchs mit hoher Beliebigkeit entgegengewirkt.
Zur Erhaltung der Richtlinienverfahren in der Berufsausübung sehen wir nicht eine enge Legaldefinition, sondern die sichere Verankerung der Grundlagen der Verfahren im Studium und die Rolle des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie als unabdingbar an. Klare diesbezügliche Definitionen und Vorgaben im Gesetz halten wir für zielführender als die enge Legaldefinition, die auch mit schwierigen Einschränkungen unserer Berufsausübung einhergeht. Unabhängig von jeder Legaldefinition wird unsere Berufsausübung im Übrigen auch von weiteren Regelungen beschränkt, so z.B. durch das SGB V und unsere Berufsordnungen. Auch da sollten wir immer einen kritischen Blick behalten, was die Regelungen unserer Berufsausübung betrifft.

Uns ist bewusst, dass man dieses Thema sehr kontrovers diskutieren kann, wir laden alle ein, das mit uns zu tun.

Autor*in

Martin Klett

Martin Klett arbeitet in Freiburg als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Er ist Mitglied im Bundesvorstand des bvvp, Vizepräsident der Landeskammer für PP und KJP Baden-Württemberg, außerdem Baden-Württembergischer Delegierter in der Bundespsychotherapeutenkammer und Mitglied in der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg.

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Ein Kommentar

bvvp Bundesgeschäftsstelle
  • 25. März 2019 um 14:33 Uhr

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