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Zeit für Veränderung

von Elisabeth Dallüge

Die Zeit der Praktischen Tätigkeit ist seit jeher ein hartes Brot für PiA. Mit der überfälligen Ausbildungsreform wird es hier positive Veränderungen geben – vor allem für die kommenden Generationen.

Bis zum Jahr 2032 (bzw. 2035 nach Härtefallentscheidung) werden noch tausende PiA nach „altem System“ approbieren und von diesen Verbesserungen nichts spüren. Nachdem die jetzige Generation der PiA in den vergangenen Jahren so hartnäckig gekämpft hat, geht sie praktisch leer aus. Auf den letzten Metern versuchte der Gesetzgeber, auch für die PiA in der Praktischen Tätigkeit eine Verbesserung zu schaffen: die 1.000-Euro-Regelung.

Nachdem jahrelang kritisch aufgezeigt wurde, dass viele PiA oft in Vollzeit für unter 500,- Euro monatlich in den Kliniken (Klein-Schmeink, 2017. Was beschäftigt PiA? Umfrage zur Reform der Psychotherapeutenausbildung. Verfügbar unter www.klein-schmeink.de/data/ user/PDF-Dokumente/2017/Ergebnisbericht_PiA-Umfrage.pdf [26.09.2020]) ausgebeutet wurden, schien dies augenscheinlich eine Verbesserung zu bedeuten. Aktuell beobachten wir jedoch leider einen Effekt, der diese Intention ins Gegenteil verkehrt: Kliniken reduzieren Gehälter, die zuvor schon deutlich oberhalb von 1.000,- Euro lagen, auf ebendiesen Betrag. PiA werden unter Druck gesetzt, neue Arbeitsverträge zu unterschreiben. Der holprige, wenn auch gut gemeinte Versuch, unsere Lage zu verbessern, führt paradoxerweise an vielen Stellen zu Verschlechterungen.

Ein Verständnisproblem

Die 1.000,- Euro-Regelung geht davon aus, dass es sich hierbei um eine Verbesserung der Situation handelt. Für Ballungsräume wie Berlin, ein Extrembeispiel, kann dies auch zutreffen. In vielen anderen Klinikstandorten in der Bundesrepublik stellen die 1.000,- Euro eine Verschlechterung dar. Warum eigentlich? Der „Preis“ einer PiA richtet sich leider häufig weniger nach deren Qualifikation, sondern mehr nach Angebot und Nachfrage. Wir beobachten, dass je mehr PiA um eine Klinikstelle konkurrieren, desto schlechter fällt die Bezahlung meist aus. Und das macht aus wirtschaftlicher Perspektive leider Sinn: Je größer die Auswahl an BewerberInnen, desto wahrscheinlicher, dass jemand eine Stelle für weniger bis gar kein Gehalt annimmt.

PiA sind keine unqualifizierten PraktikantInnen. Wir haben bereits ein Studium absolviert und leisten als Fachpersonal einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von PatientInnen. Entsprechend fordern wir als bvvp eine Vergütung für die Praktische Tätigkeit gemäß dem erlernten Grundberuf als PsychologInnen und PädagogInnen. Eine Anstellung mit angemessener Vergütung muss nicht im Widerspruch zum Ausbildungscharakter der PsychotherapeutInnenausbildung gesehen werden, wenn in der Klinik fachkundige Anleitung und Supervision gewährleistet sind. Unsere Arbeit ist wertvoll und wir sollten uns nicht unter Wert verkaufen.

An dieser Stelle soll gesagt sein, dass es immer individuelle Gründe geben kann, eine schlecht bezahlte Stelle anzunehmen. Sieht man das System jedoch als Ganzes, sollten wir PiA uns selbst als diejenigen begreifen, die einen maßgeblichen Beitrag zur PatientInnenversorgung leisten –  auf unsere persönlichen Kosten. In einer aktuellen PiA-Studie (Nübling et al., 2020. Psychotherapeutinnen in Ausbildung (PiA) in den Abschnitten Praktische Tätigkeit I und II – Ergebnisse der PiA-Studie 2019. Psychotherapeutenjournal, 19 (2), 128–137) wird deutlich, dass fast die Hälfte der PiA die PT-Ausbildung nur mit familiäre Unterstützung finanziert.

Auf dem Weg zum Traumberuf, opfern wir finanzielle und persönliche Freiheit. Schlimmer, die hohen Kosten führen dazu, dass viele engagierte und qualifizierte Personen die Ausbildung gar nicht antreten, schlichtweg, weil sie es sich nicht leisten können. Es kommt zur sozialen Selektion.

PiA – ein hoffnungsloser Fall?

Die Ausbildungssituation ist oft entmutigend. Obwohl die eigentliche Arbeit meist genau das hält, was sie uns versprach, sind die Bedingungen häufig problematisch. Gerade zu Beginn der Ausbildung entsteht oft ein Gefühl der Ohnmacht, PiA fühlen sich häufig als EinzelkämpferInnen in einem übermächtigen und maroden Gesundheitssystem. Häufig starten wir nach dem Studienabschluss in die Praktische Tätigkeit. Wir freuen uns auf die Arbeit mit PatientInnen und werden dann konfrontiert mit Arbeitsbedingungen, die uns unsere Selbstfürsorge vergessen lassen. Viele werden direkt ins kalte Wasser gestoßen, Kontakt zu anderen PiA gibt es vielleicht gar nicht und wir müssen von Beginn an den anspruchsvollen Stationsalltag alleine meistern.

Und genau liegt ist der Trugschluss: wir sind nicht alleine, wir sind viele und spielen eine wichtige Rolle im Versorgungssystem. Wir sind nicht verantwortlich für die aktuellen Ausbildungsbedingungen, aber es liegt in unserer Hand, Veränderungen herbeizuführen.

Veränderungen schaffen wir nur gemeinsam

Wenn wir uns untereinander vernetzen, sind wir keine EinzelkämpferInnen mehr, wir werden zum Team. Wir schaffen uns dadurch Handlungsspielräume. Räume für unseren Frust, für Austausch und Solidarität. Gemeinsam können wir Informationen verbreiten – denn häufig wissen wir gar nicht um unsere Rechte.

Kenntnis über die eigene Situation erlangen und sich untereinander vernetzen, das sind die zentralen Schritte, um Veränderungen einzuleiten. Gemeinsam können wir Ideen sammeln und als Gruppe Forderungen stellen. Solidarität untereinander schafft Rückhalt, um Veränderungen von unwürdigen Arbeitsverhältnissen in Gang zu bringen, die eine PiA im Alleingang vor große Ängste und Probleme stellen würden.

Wir möchten nicht nur an euch appellieren, euch zusammenzutun, auszutauschen und zu engagieren, wir möchten euch auch auf dem Weg begleiten und unterstützen. Mit Vernetzungs- und Informationsveranstaltungen, Broschüren und gerne auch im persönlichen Kontakt stehen wir für alle eure Fragen rund um die Ausbildung bereit. Wir geben praktische Hilfestellungen, helfen Veränderungen in der Klinik herbeizuführen, bieten Unterstützungen in allen Belangen eurer Ausbildung bis hin zu Themen wie Steuern oder Versicherungen. Wir sind für euch da.

Autor*in

Elisabeth Dallüge

Sprecherin des Jungen Forum

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