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Gängige Praxis: rechtswidrige Bezahlung des psychotherapeutischen Nachwuchs

von Rebecca Borchers

Im Februar 2021 führte der bvvp seine erste große Umfrage unter Psychotherapeut*innen in Ausbildung (PiA) durch. Ziel war es, herauszufinden, inwiefern die neuen gesetzlichen Regelungen zur Vergütung der Praktischen Tätigkeit (PT) und der ambulanten Stunden umgesetzt werden. Das Fazit lautet: unzureichend.

Angesichts des abgeschlossenen Hochschulstudiums der PiA können die gesetzlich vorgeschriebenen 1.000 Euro Vergütung während der PT nur als hohle Geste gewertet werden: selbst bei einer 26-Stunden-Woche liegt die Regelung unter dem Mindestlohn. Dabei war es gerade die Forderung nach einer angemessenen Bezahlung in den Kliniken, weshalb viele PiA sich an den jahrelangen Protesten beteiligt haben. Dass eben dieses Anliegen mit der 1.000-Euro-Regelung nur unzureichend berücksichtigt wurde, ist bedauerlich. Geradezu beschämend ist es, dass ein Drittel der Teilnehmenden unserer Umfrage angab, nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebenen 1.000 Euro in der PT zu erhalten.

Ebenso schleppend scheint sich die Umsetzung der Vorgaben zur Vergütung der ambulanten Stunden zu gestalten: Laut Gesetz sollen mindestens 40 Prozent der Ambulanzhonorare an die PiA ausbezahlt werden. Das entspricht aktuell 41,03 Euro je Einzelsitzung (EBM 1-2021). Aber nur etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Ausbildungskandidat*innen erhält diese Vergütung tatsächlich auch.

Die Arbeitsleistung von PiA muss gemäß geltendem Recht vergütet werden. Dass viele PiA trotz eindeutiger Rechtslage immer noch nicht angemessen bezahlt werden, wirft eine grundlegende Frage in den Raum: Warum sind viele Ausbildungskandidat*innen immer noch bereit, unter schlechten (nun sogar rechtwidrigen) Bedingungen zu arbeiten? Die Antwort auf diese Frage fällt wahrscheinlich je nach Perspektive sehr unterschiedlich aus: Idealismus, fehlende Konfliktbereitschaft, Naivität oder ein systematisches Abhängigkeitsverhältnis. Unsere Umfrage zeigt jedenfalls auch, dass PiA gerade in Großstädten wie Hamburg oder Berlin immer noch monatelang nach einer PT-Stelle suchen müssen. Dass diese Verhältnisse mögliche Verhandlungspositionen massiv schwächen, sollte klar sein.
Honorargerechtigkeit ist aber kein Privileg der Niedergelassenen.

Es ist zu erwarten, dass noch viele hunderte (vielleicht sogar tausende) PiA die Übergangsregelung bis 2032 nutzen und die Ausbildung nach dem alten Modell absolvieren werden. Bereits jetzt werden Konflikte zwischen verschiedenen Interessengruppen innerhalb der Behandelnden zunehmend bissig ausgetragen. Eine verhärtete Front in unseren eigenen Reihen können wir uns nicht leisten. Wenn sich eine ganze Generation unseres Nachwuchses im Stich gelassen fühlt, schadet das dem Berufsstand insgesamt. Deshalb dürfen wir nicht tatenlos zusehen, wenn zahlreiche PiA ihr Recht auf ein Existenzminimum vor Gericht einklagen müssen.

Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse unserer Umfrage finden Sie ab Juni in unserem Mitglieder-Magazin PPP 02/2021.

Autor*in

Rebecca Borchers

Rebecca Borchers, Psychologische Psychotherapeutin, ist Schatzmeisterin im Landesverband Berlin und Mitglied im Jungen Forum des bvvp. Sie arbeitet ambulant im Jobsharing und ist angestellt in einem Privatinstitut für Psychotherapie.

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