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Ausblick auf das Jahr 2022

von Ulrike Böker

2022 wird angesichts der leeren Kassen der gesetzlichen Krankenversicherungen sicherlich kein einfaches Jahr – aber mit der neuen Regierung durchaus ein spannendes.

Es gilt honorarpolitisch gleich zwei dicke Bretter zu bohren: Zum einen geht es um die Überprüfung der „angemessenen Vergütung“ der genehmigungspflichtigen Psychotherapie. Alle vier Jahre muss diese an die Ertragssituation anderer grundversorgenden Facharztgruppen angepasst werden, und alle vier Jahre sind die Kassen äußerst kreativ, Ansprüche kleinzurechnen.

Zum anderen stehen die Verhandlungen zu den notwendigen neuen Leistungen der neuen Richtlinie für Patient*innen mit komplexem Behandlungsbedarf an. Bisher gibt es noch keinerlei Konkretisierung, was dafür im EBM ergänzt werden muss und welche Vergütung notwendig ist, damit die Richtlinie eine Chance hat, auch tatsächlich in der Versorgung anzukommen.

Gemeinsam mit dem DPtV-Vorsitzenden Gebhard Hentschel sitze ich als stellvertretendes Mitglied im Bewertungsausschuss, dem Gremium, in dem alles rund ums Honorar verhandelt wird. Dort werde ich die Interessen der Psychotherapeut*innen bestmöglich vertreten und mich mit Bohrer ans Werk machen.

Die neue „Komplex-Richtlinie“, die eine regionale Vernetzung und berufs- und sektorenübergreifende Kooperationen verlangt, ist ein erstes Modell der Versorgung der Zukunft. In allen Parteiprogrammen wird die Schaffung größerer Versorgungseinheiten proklamiert, die sich passgenau auf den regionalen Bedarf abstimmen sollen.

Das Thema wird uns deshalb nicht nur im Hinblick auf die Komplexversorgung, sondern auch sonst beschäftigen. Es wird dabei um die Frage nach Zusammenschlüssen von Praxen gehen, um regionale Repräsentanz der Psychotherapie und die Mitgestaltung der Niedergelassenen an neuen Verbundsystemen. Konzepte müssen überlegt und dann auch praktikabel gemacht werden. Der bvvp wird bei der Konzeptualisierung dabei sein!

Der Bedarf an Psychotherapie nimmt nicht ab. Auch wie damit mittel- und langfristig umgegangen werden sollte, wird ein Thema sein, das 2022 diskutiert werden muss.

Die Parteien einer Ampelkoalition haben sich alle dahingehend geäußert, dass die Bedarfsplanung nochmals angepackt werden muss. Eine Lösung, dem hohen Bedarf zu begegnen, ist also die Erweiterung der Kapazitäten, denn Nachwuchs gibt es bei den Psychotherapeut*innen im Gegensatz zu vielen anderen Fachgruppen (noch) genug. Eine andere Möglichkeit sind Steuerungs- und Reglementierungsversuche, einige ungeeignete Ansätze dazu durften wir in der Ära Spahn erleben. Jedenfalls wird die Frage nach den Kapazitäten auch im Zusammenhang mit der Komplexrichtlinie sehr aktuell werden. Denn wenn in den Praxen solche Patient*innen versorgt werden sollen, die bisher nur schwer oder gar nicht zu diesen Zugang hatten, dann erfordert das notwendigerweise auch mehr Kapazität. Denn es ist eben nicht so, dass wir bislang die Falschen behandeln und damit ein Austausch unter unseren Patient*innen möglich wäre. Diese Vorstellung können sich die Kassen abschminken!

Um den Bedarf auch langfristig zu sichern, braucht es eine ausreichende Zahl an Aus- und Weiterbildungsplätzen für die zukünftigen Psychotherapeut*innen, doch diese wird es nur dann geben, wenn auch deren Finanzierung gesichert ist. Hier muss zwingend von Seiten der Regierungsparteien gesetzlich nachgebessert werden. Wir werden an entsprechende Zusagen erinnern.

Zur Sicherung des ärztlichen Nachwuchses aller Fachbereiche, aber insbesondere in den P-Fächern, müssen die Rahmenbedingungen für die Niederlassung attraktiver gestaltet werden. Erfreulich ist, dass ein prominenter SPD-Politiker sich dies bereits jetzt auf die Fahne geschrieben hat: Den Aufbau des ärztlichen Nachwuchses und den Abbau der Bürokratie. Auch wir werden uns hierfür einsetzen.

Und schließlich wird uns das neu zu entwickelnde Instrument der Qualitätssicherung für die ambulante Psychotherapie weiter beschäftigen. Unser Ziel: überbordende Bürokratie und unangemessene Eingriffe in den therapeutischen Prozess zu verhindern. Bei der bisher im Gesetz verankerten, zeitlich gekoppelten Abschaffung des Antrags- und Gutachterverfahrens ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn da die Vorab-Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Kontingente erhalten werden müssen, bleibt für uns auch dies ein wichtiges Thema für 2022.

Autor*in

Ulrike Böker

Seit 2010 Mitglied des bvvp, seit 2012 im Bundesvorstand aktiv und stellvertetende Vorsitzende des bvvp-Baden-Württemberg. Mit eigener Kassenzulassung in Reutlingen tätig. Ich bin Mitglied in den Vertreterversammlungen der KV Baden-Württemberg und der KBV. Ich engagiere mich im BFA, in der Kammer Baden-Württemberg und bin Delegierte des DPT.

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