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Müssen die Patient*innen erst klagen? Verabschiedung der GOÄ /GOP-Novelle jetzt!

von Benedikt Waldherr

Der Ärztetag ist vorbei und das kluge Geschenk, das Ärztetags-Präsident Dr. Klaus Reinhardt unserem Gesundheitsminister Lauterbach machte – das Druckexemplar der weitgehend abgestimmten neuen GOÄ (Gebührenordnung der Ärzte))/GOP(Gebührenordnung der Psychotherapeuten) – liegt vermutlich immer noch auf dem Stuhl, auf dem es Herr Lauterbach verlegen abgelegt hat.

Das übergebene Exemplar fand wenig Gegenliebe des Ministers. Hilflos, so schien es, ging er mit dem Papier-Volanten um. Es zeigte einmal mehr das große Desinteresse dieser, aber auch der vorangegangenen Regierung an der Überarbeitung der Gebührenordnung der Ärzte und der Psychotherapeuten.

Aber es verdeutlicht auch, wie wenig politisches Durchsetzungswille vorhanden ist. Die beiden Ampelkoalitions-Parteien SPD und Grüne forderten in ihren Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 eine Bürgerversicherung. Wenn man die PKV aber wirklich abschaffen will, dann ist es sehr fraglich, ob das das durch Aushungern und Aussitzen gelingen wird. Das soll nicht bedeuten, dass wir für die Abschaffung der PKV wären, aber der hilflose Politikstil im Umgang mit dieser Frage und das extrem verdeckte Vorgehen sowie die dabei in Kauf genommenen Kollateralschäden sind ein zentrales Problem.

Die Strategie ist offenbar: „Kopf einziehen und das Problem beiseiteschieben“, und das seit Jahren. Die letzte Aktualisierung der GOÄ ist von 1996, also mehr als 26 Jahre her! Kein anderer freier Beruf würde sich einen derartigen Mangel an Wertschätzung gefallen lassen! Eine neue GÖÄ / GOP müsste nur noch als verbindliche Rechtsverordnung der Bundesregierung beschlossen werden.

Möglicherweise müssen erst betroffene Patientinnen und Patienten, die ihre Rechnungen überhaupt nicht mehr verstehen, gegen ihre Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen klagen, bis dann das Verfassungsgericht feststellt: Der Gesetzgeber muss endlich handeln. Diese sicher bis zur letztgültigen Entscheidung einige Zeit beanspruchende Strategie scheint angesichts der so viele Jahre währenden Verzögerungstaktik im BMG noch als eine Schnellstraße. Selbstverständlich mahlen die Mühlen der Gerichte langsam, aber gewiss nicht so langsam wie die Politik, die verweigert, den letzten kleinen Schritt zu tun, denn der Rahmen steht, die Leistungsziffern sind alle betriebswirtschaftlich kalkuliert und konsentiert.

Über ein Drittel der bestehenden Leistungen des heutigen Leistungskataloges der Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen sind in der völlig veralteten GOÄ/GOP nicht mehr adäquat abgebildet. Analog-Abrechnungen müssen immer mehr neue Leistungen ermöglichen, wobei es teilweise skurril wird, wenn eine bestimmte Untersuchung am Herzen nach einer anderen Legendierung abgerechnet werden muss, weil für die neue Form der Herzuntersuchung keine GOÄ-Ziffer existiert. Ein Grundsatz für alle Gesetze ist – und damit sind auch untergesetzliche Normen wie Abrechnungsbestimmungen gemeint -: Ein Gesetz muss klar sein und wahr sein!

Völlig unhaltbar ist die extrem schlechte Bewertung und Vergütung insbesondere aller zuwendungsorientierten Leistungen, zum Beispiel der Gesprächsleistungen. Die Unwucht wird auch daran deutlich, dass die Vergütung für gesetzlich Versicherte bei der psychotherapeutischen Versorgung inzwischen deutlich höher liegt als die Vergütung der Privatversicherten. So liegt die Vergütung bei einer Kurzzeitpsychotherapie mit Zuschlägen in der GKV bei der Verhaltenstherapie 29 Prozent, bei den psychodynamischen Verfahren 40 Prozent höher als die bei Privatpatient*innen mit dem regulären Steigerungssatz von 2,3. Die Konsequenz ist, dass die Bereitschaft bei den Kolleg*innen aktuell sinkt, Privatpatient*innen aufzunehmen, weil man sich den größeren Bürokratieaufwand (umgehende Antragstellung für den Gutachter) und die geringeren Honorare nicht leisten kann.

Der Rechtstreit ist oft das letzte ultimative Mittel für eine Arzt- oder Psychotherapeut*innengruppe, wenn sie mit der Honorierung, der Honorarverteilung, dem Bemessungsmaßstab oder eben auch der GOÄ/GOP absolut unzufrieden sind. Die Geduld der Profession war jedenfalls bis hierher grenzenlos. Die Geduld der auf eine Therapie wartenden Privatpatient*innen sollte am Ende sein.

Es sollte nun der Klageweg beschritten werden, möglicherweise auch wegen Untätigkeit der politisch Verantwortlichen. Aber, wie so oft, müssten dies Patient*innen tun, die schwächsten Glieder in der Kette, weil die Politik ein Thema ersticken will.

Der bvvp-Bundesverband fordert Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach eindringlich dazu auf, endlich aktiv zu werden und die Reform nicht weiterhin durch Passivität oder aufgrund von Kostenspareffekten bei Beihilfeversicherten zu blockieren. Wir fordern aber auch die Koalitionäre aus dem Lager der FDP und der Grünen auf, sich zu engagieren für Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, die politische Entscheidung zu treffen: die zwischen PKV, allen Berufsverbänden und der Bundesärztekammer nahezu konsentierte GOÄ/GOP nach der letzten Einigung über die Bewertung auch zu verabschieden.

Autor*in

Benedikt Waldherr

Bundesvorstand des bvvp, Psychologischer Psychotherapeut
Seit 1987 niedergelassen als Verhaltenstherapeut in Landshut, seit 1995 in der Berufspolitik engagiert. Seit der Umsetzung des Psychotherapeutengesetz von 1999 verschiedene Funktionen und Aufgaben in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), seit 2003 aktiv in der Landes-Psychotherapeutenkammer Bayern als Mitglied der Bayerischen Delegiertenversammlung und als Delegierter zum Deutschen Psychotherapeutentag.

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