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Rückblick auf das Jahr 2022

von Benedikt Waldherr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,


das Jahr 2022 hatte es wirklich in sich. Wir werden wohl noch lange daran zurückdenken.

Zunächst konnte Anfang des Jahres der Corona-Pandemie endlich ihr Schrecken genommen werden. Der Impffortschritt half, langsam zur Normalität zurückzufinden. Die Pandemie scheint inzwischen abgeklungen. Wir haben Impfstoffe und Medikamente. Viele Menschen sind durch die Erkrankung immun geworden. Dennoch ist der Blick zurück schmerzlich und die Folgen langwierig: Viele Menschen, die durch Corona Schaden genommen haben oder noch an Long-Covid leiden, werden weiterhin unter uns sein und viele von ihnen werden früher oder später unsere Dienste in Anspruch nehmen. Der Druck auf unsere Berufsgruppe wird durch die Folgen dieser großen Krise langfristig zunehmen. Psychisches Leiden entsteht langsam und ist meist zäh und langandauernd. Gleichwohl wird das Angebot in unserer
Versorgungslandschaft nicht im erforderlichen Ausmaß mitwachsen.

Doch das Jahr war noch jung, als erstmals seit vielen Jahren wieder ein „heißer“ Krieg mitten in Europa begonnen wurde. Dieser Krieg, willkürlich von Wladimir Putin vom Zaun gebrochen, nimmt uns auch in Deutschland über die steigenden Energiekosten, hohe Inflationsraten oder steigende Rüstungsausgaben in die Pflicht. Kein Tag ohne Schreckensmeldungen über Kriegsgräuel in der Ukraine.

Aber wir erleben auch die Berührung und Begegnung mit den vielen Menschen aus der Ukraine, die zu uns flüchten. Wir hören von schlimmen Schicksalen und unbeugsamem Widerstand gegen den Aggressor. Butscha, Cherson, Bachmut und viele andere Orte sind Namen, die für russische Kriegsverbrechen und die Sinnlosigkeit des Krieges stehen. Sie sind Teil unseres kollektiven Bewusstseins geworden und werden uns noch lange begleiten. Und ein Ende des Krieges ist nicht absehbar.

Diese Ereignisse drohten unseren Alltag als Psychotherapeut*innen, die Notwendigkeit der berufspolitischen Arbeit und die Weiterentwicklung unserer Profession zeitweise in den Schatten zu stellen. Aber wir wissen auch, dass gerade die Menschen aus der Ukraine in vielfältiger Weise traumatisiert sind und auch viele von ihnen, die hier in Deutschland bleiben, werden früher oder später unserer Hilfe bedürfen. In diesem Jahr haben wir auch einen neuen Gesundheitsminister bekommen. Herr Lauterbach ist eigentlich ein Corona-Minister, das ist sein Kerninteressengebiet. In den anderen Themenfeldern macht er dort weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hat. Die elektronische Patientenakte soll durch die „Opt-out“-Variante mehr Verbreitung erlangen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens soll noch rasanter voranschreiten und das GKV-System verändern. Auch das Ziel einer Schwächung und Entmachtung des KV-Systems gehört zu den langfristigen Plänen auch dieses Gesundheitsministers. Das schwächt als Konsequenz auch die Freiberuflichkeit und die Unabhängigkeit unseres Berufes. Deshalb bleiben wir im bvvp weiterhin am Ball und kümmern uns mit ungebrochener Energie um die schwierigen Themen der Gesundheitspolitik. Trotz dieser großen äußeren Probleme und den politischen Anfeindungen haben wir als Berufsverband stets die Geschicke der Psychotherapie und die Versorgung der Patient*innen
im Auge behalten.

Eine weitere sechsjährige Amtsperiode in den Kassenärztlichen Vereinigungen geht zudem 2022 zu Ende. Dieses Jahr war ein wichtiges Wahljahr. In vielen Ländern trafen Kammerwahlen und KV-Wahlen zusammen, was uns als Verband enorme Kraftanstrengungen abverlangt hat. Wir sind froh, uns auch hier mit vollem Einsatz engagiert zu haben, auch wenn die Wahlen für uns als Verband nicht überall die erhofften Ergebnisse erbracht haben. Man muss es mit Fassung tragen und sich Gedanken machen, wie wir uns berufspolitisch noch erfolgreicher ausrichten können.

Wir konnten aber auch in diesem Jahr vieles zum Guten weiterentwickeln, insbesondere im Bereich Qualitätssicherung (QS). Der Plan, ein neues QS-Verfahren in der Psychotherapie einzuführen schwebt ja seit zwei Jahren wie ein Damoklesschwert über uns. Theoretisch sollte es das Gutachtenverfahren zum 01.01.2023 ablösen. Die aufwendigen, vom IQTIG erarbeiteten Qualitätssicherungsmaßnahmen sind erwartungsgemäß nicht effizient. Sie werden von allen Seiten massiv hinterfragt, auch unsere Kritik daran hätte schonungsloser nicht sein können. Die Maßnahmen sind daher zunächst an sich selbst gescheitert. Nun müssen sie durch den G-BA ausgiebig überprüft werden. Daraus ergibt sich zunächst eine Verschnaufpause von mehreren Jahren und damit ein Moratorium für die Antrags- und Genehmigungspflicht in der Psychotherapie. Das ist ein Erfolg unserer beständigen Arbeit zum Thema Qualitätssicherung.

Darüber hinaus konnten wir mit vereinten Kräften die Entwicklung der Honorare vorantreiben, wenn sie auch nicht im angemessenen Umfang steigen, und uns zudem im Prozess der Etablierung und Umsetzung der neuen Weiterbildung für die künftigen Fachpsychotherapeut*innen einbringen. Hier droht allerdings ein zentrales Element der Weiterbildungsreform – die angemessene Vergütung – zu scheitern, weil die Politik die erforderliche Finanzierung nicht anpackt. Hier wollen wir den Druck erhöhen. Insgesamt liegt jedoch ein erfolgreiches, wenn auch arbeitsintensives Jahr hinter uns. Für uns als Verband ist erfreulich, dass wir unsere Mitgliederstärke weiter ausbauen konnten – wir haben nun mehr als 5.800 Mitglieder – und damit den altersbedingten Schwund übertreffen konnten.

Die Weihnachtszeit wird hoffentlich Ruhe bringen, auch wenn unsere Gedanken vielfach bei
den Menschen in der Ukraine sein werden, die zum Teil ohne Heizung, ohne Strom oder ohne
Wasser den Winter überstehen müssen. Gemessen daran geht es uns gut.

Zum Schluss möchte ich noch allen eine Anregung geben, die die Energiepauschale als Gaspreis- oder als Stromkostenrückzahlung bekommen werden: Wir möchten Sie darum bitten, diese Energiekostenpauschale an Menschen in prekären Lebenslagen, die ja oft auch psychisch krank sind, zu spenden. Der Vorstand des bvvp-Bundesverbands wird für die Aktion „Irrsinnig Menschlich e.V.“ spenden, die sich vor allen Dingen mit Prävention und Aufklärung von Schulkindern und Studierenden im Bereich psychische Gesundheit befasst. Diese Arbeit scheint uns äußerst wichtig, um psychischen Erkrankungen junger Menschen vorzubeugen. Das Thema „Kinder in der Corona-Pandemie“ hat uns ja bereits in den letzten beiden Jahren sehr beschäftigt. Erinnert sei nur an die Aktion „Kinder brauchen mehr/Jugend braucht mehr“.

Deshalb möchten wir noch einmal in diesem Jahr für die Kinder ein Zeichen setzen, die in den letzten Jahren viel hinnehmen mussten. Speziell in den Familien ohne hohen sozioökonomischen Status werden Kinder in besonderer Weise von den negativen Folgen der pandemiebedingten Einschränkungen betroffen sein. Wir haben deshalb diese Spendenaktion für uns wie auch für unsere Mitglieder ins Leben gerufen und hoffen, dass auch Sie sich daran beteiligen möchten.

Die Spendenseite mit ausführlichen Informationen, auch Verweisen auf weitere unterstützungswürdige Initiativen, finden Sie auf unserer Homepage: https://bvvp.de/spenden.

Ihr Benedikt Waldherr

Autor*in

Benedikt Waldherr

Bundesvorstand des bvvp, Psychologischer Psychotherapeut
Seit 1987 niedergelassen als Verhaltenstherapeut in Landshut, seit 1995 in der Berufspolitik engagiert. Seit der Umsetzung des Psychotherapeutengesetz von 1999 verschiedene Funktionen und Aufgaben in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), seit 2003 aktiv in der Landes-Psychotherapeutenkammer Bayern als Mitglied der Bayerischen Delegiertenversammlung und als Delegierter zum Deutschen Psychotherapeutentag.

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