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Ausblick auf das Jahr 2023

von Ulrike Böker

Mein letzter Ausblick startete mit dem Satz „2022 wird angesichts der leeren Kassen der gesetzlichen Krankenversicherungen sicherlich kein einfaches Jahr – aber mit der neuen Regierung durchaus ein spannendes.“

Wer hätte gedacht, dass die finanzielle Situation der Kassen sowie der gesamten Gesellschaft so viel kritischer wird durch einen bis dato nicht vorstellbaren Krieg in Europa. Und auch die Regierung hat das Jahr 2022 keineswegs spannender gemacht, sondern das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat erstmal gar nichts und dann nichts Brauchbares produziert.

Was steht für die Psychotherapeut*innen und die psychotherapeutische Versorgung an? Herr Minister Lauterbach hat ein Gesetz zur psychotherapeutischen Versorgung angekündigt. Hierbei wird es sicherlich auch um die Bedarfsplanung gehen, die mancherorts immer noch zu langen Wartezeiten führt, und um die Frage nach der Patient*innensteuerung. Bekanntermaßen muss man mit allem rechnen, von der Einführung von Vorgutachtern bis zur „Rastertherapie“. Für uns ist klar: Das Erstzugangsrecht ist unverhandelbar und die Psychotherapeutischen Sprechstunden sind ein ausreichendes Steuerungsinstrument, das beste in unseren eigenen Händen. Übrigens: Dass wir keineswegs die falschen Patient*innen zu lang behandeln, das wird eine Studie, erstellt anhand der Abrechnungsdaten der KBV und veröffentlicht zu Beginn des neuen Jahres, eindrucksvoll belegen.

Weiter beschäftigen wird uns das Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante Psychotherapie, das, so der Auftrag des Gemeinsamen Bundesauschusses G-BA, entwickelt werden soll. Wirklich erfreulich ist hier der große Zusammenhalt unter allen psychotherapeutischen Berufs- und Fachverbänden und in allen Gremien: Alle ziehen an einem Strang, um aufzuzeigen, dass das vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) entwickelte Instrument ungeeignet, ja sogar schädlich für den Therapieprozess ist. Angedacht ist nun die Einrichtung einer Modellregion, in der das Verfahren ab 2025 ausprobiert werden soll. Die Verbände werden dies begleiten – unterstützend für die betroffenen Kolleg*innen und kritisch gegenüber dem G-BA.

Ebenso erfreulich ist der Konsens unter allen Verbänden darüber, dass das Antrags- und Genehmigungs-verfahren erhalten werden muss. Nur so ist eine wirtschaftliche Vorab-Prüfung möglich, die nachträgliche Regresse verhindert, und nur so kann der sichere Behandlungsrahmen in Form der Kontingente erhalten werden. Die Arbeit geht uns hier im nächsten Jahr ganz sicher nicht aus. Die neue Komplexrichtlinie KSVPsych-RL wird in 2023 in wenigen Regionen an den Start gehen, in denen die strukturellen Voraussetzungen gegeben sind. Der bvvp wird Informationsveranstaltungen anbieten, Kolleg*innen unterstützen, die sich auf den Weg machen, und mitwirken, dass Informationen darüber, warum die Richtlinie in vielen Regionen nicht umgesetzt werden kann, strukturiert bei der KBV und dann auch beim G-BA ankommen. Ziel ist es, dass diverse Nachbesserungen vorgenommen werden, so zum Beispiel die Schaffung der Möglichkeit, dass die Behandlungsführung auch für Kolleg*innen mit anteiligen Versorgungsaufträgen möglich wird oder die Streichung der Regelung, wonach eine differential-diagnostischen Abklärung bei einem/einer P-Fachärzt*in zu Beginn der Behandlung zwingend ist. Diese Vorgabe ist weder sachgerecht noch praktikabel.

Ein sehr dickes Brett, das es zu bohren gilt, ist zudem die Sicherung der Finanzierung der Weiterbildung, die sich anschließt an den neuen Studiengang Psychotherapie, der mit der Approbation abgeschlossen werden kann. Damit ist der Aus- und Weiterbildungsweg der zukünftigen Fachpsychotherapeut*innen mit dem der Ärzt*innen harmonisiert. Nun fehlt nur noch die „Kleinigkeit“ der ausreichenden Finanzierung. Im ambulanten Bereich betrifft dies natürlich auch die Weiterbildung der P-Fachärzt*innen. Letztlich steht eine grundsätzliche Reform an, in die dann auch die Besonderheiten der Weiterbildung zum/r Psychotherapeut*in berücksichtigt werden müssen.

Und wie sieht es aus mit der „angemessenen Vergütung“? Da war doch was… Denn alle vier Jahre muss diese an die Ertragssituation anderer grundversorgender Facharztgruppen angepasst werden. Die dafür notwendige Datengrundlage des Statistischen Bundesamts liegt schon seit Dezember 2021 vor. Leider zog sich aber die Lieferung der aggregierten Daten sehr in die Länge, die die Kosten jener Fachgruppen aufschlüsseln, die in die Berechnung eingehen. Die erste Verhandlungsrunde mit den Kassen fand am 14. Dezember statt. Wie erwartet kam es hier zu keiner Einigung, sodass die Unparteiischen dann im Januar 2023 schlichten müssen. Schade, dass wir die Anhebung unserer Honorare nicht schon ins neue Jahr mitnehmen und mit einem Silvesterumtrunk feiern können.

Und um die Liste der Themen zu vervollständigen, die uns im kommenden Jahr beschäftigen: Es stehen Gesetzesänderungen an zur Sprachmittlung, beim Präventionsgesetz, zur unabhängigen Patientenberatung und zur Cannabis-Legalisierung. Auch die Reform der GKV-Finanzierung ist weiterhin auf der Agenda. Jeder Gesetzentwurf muss sorgfältig gesichtet werden, ob sich darin irgendeine
Passage versteckt, die die psychotherapeutische Versorgung betrifft. Auch das benötigt viel Zeit.

Zu guter Letzt: die Digitalisierung. Hier wird der bvvp die Entwicklungen besorgt begleiten und prüfen und sich sicher an vielen Stellen auch weiterhin kritisch äußern. Es geht schließlich um ernsthafte Überlegungen, wie man mit dem Thema in Zukunft umgeht, um die Patient*innen und den therapeutischen Raum bestmöglich zu schützen.

Autor*in

Ulrike Böker

Seit 2010 Mitglied des bvvp, seit 2012 im Bundesvorstand aktiv und stellvertetende Vorsitzende des bvvp-Baden-Württemberg. Mit eigener Kassenzulassung in Reutlingen tätig. Ich bin Mitglied in den Vertreterversammlungen der KV Baden-Württemberg und der KBV. Ich engagiere mich im BFA, in der Kammer Baden-Württemberg und bin Delegierte des DPT.

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