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Der Weihnachtsrückblick 2023
- 28. Dezember 2023
- Berufspolitik
- Gesellschaft
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Jahr 2023 geht zu Ende und damit auch das zweite Kriegsjahr in der Ukraine. Der Krieg in der Ukraine ist fast zum Hintergrundrauschen geworden. Leider, denn die Aggressionen der russischen Seite – auch die Kriegsverbrechen, die begangen werden –, haben natürlich nicht nachgelassen.
Gleichzeitig ist ein weiterer Großkonflikt im Nahen Osten entstanden, der seit Oktober, genau genommen seit 07. Oktober 2023, alles überschattet und den Ukraine-Krieg von Platz Eins der Schreckensmeldungen vertrieben hat. Auch hier ist auf beiden Seiten Erbarmungslosigkeit an der Tagesordnung.
Der Klimawandel, das Verhungern der Kinder in Afrika, die Unterdrückung der Frauen in Afghanistan und dem Iran, das Sterben im Jemen und in Syrien sowie viele andere, ebenso wichtige Entwicklungen, geraten dadurch in den Hintergrund.
All diese schmerzlichen Themen überschatten unser aller Alltag – der auch nicht ohne Herausforderungen ist. Auch in unserem Bereich, der Vertretung der Interessen der psychotherapeutischen Patienten und der psychotherapeutischen Praxen gab es einige sicherlich schwierige Weichenstellungen im zurückliegenden Jahr 2023.
Für den bvvp besonders problematisch war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu unserer Klage zur Honorierung in der Psychotherapie. Hier mussten wir leider eine, aus unserer Sicht, schmerzliche Niederlage akzeptieren. Der Beschluss des Bewertungsausschusses, der bereits vom BSG bestätigt wurde, wonach die Auszahlung von Strukturzuschlägen nur für höher ausgelastete Praxen anstelle einer allgemeinen Honoraranhebung rechtens sei, wurde auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Zuschläge wurden unseres Erachtens vom Gericht eher durchgewunken als dass juristisch gründlich geprüft wurde, da man dort davon ausging, dass die Maßnahme vermeintlich eine positive Steuerungswirkung hin zu genehmigungspflichtiger Psychotherapie und zu einer höheren Auslastung der Praxen entfalten würde.
Allerdings wurde die rückwirkende Einführung dieser Zuschläge für nicht rechtens erklärt. Nun müssen zunächst das Bundessozialgericht (BSG), der Bewertungsausschuss und die Kassenärztlichen Vereinigung diesen Aspekt des Verfassungsgerichtsurteils umsetzen. Wir werden ihr weiteres Vorgehen engmaschig begleiten. Dabei sollte zumindest etwas an Nachzahlungen herauskommen. Andererseits müssen wir sehen, dass die Zuschlagsregelung damit im Grunde zementiert wird.
Aber nicht nur diese Verfassungsentscheidung war für uns enttäuschend. Auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und seine Vorstellungen von Gesundheitspolitik machen uns keine Freude.
Vor allen Dingen die mit Vehemenz vorangetriebene Einführung der elektronischen Patientenakte ePA und die beiden geplanten Digitalisierungsgesetze aus dem BMG werden unseren Alltag weiter in problematischer Weise verändern. Die beiden Digitalisierungsgesetze, die nach langer Vorberatung über das ganze Jahr hin im November zur ersten Beratung im Bundestag verhandelt wurden, sehen eine Umkehr des ehemaligen Opt-in-Verfahrens bei der ePA in ein Opt-out-Verfahren vor, was bedeutet, Patient*innen müssen sich innerhalb eine 6 Wochenfrist aktiv wehren, wenn sie keine ePA haben wollen. Für die Datennutzung im Einzelnen gibt es dann differenzierte Zugriffsregelungen. Den Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen wird eine neue Aufklärungsverpflichtung auferlegt, und sie müssen, allerdings nur auf expliziten Wunsch ihrer Patient*innen, die Akte befüllen. Immerhin, ihre Patient*innen können jederzeit die Zustimmung zur ePA widerrufen.
Gleichzeitig hat uns sehr beschäftigt, dass die Telematik-Infrastruktur weiterhin nicht wirklich funktioniert und die erste Generation der Konnektoren die Grenze ihrer vorgesehenen Laufzeit erreicht hat. Das Thema „Konnektortausch“ und „Verlängerung der Konnektor-Laufzeit“ war ebenfalls für viele Kolleg*innen etwas, das ihnen unter den Nägeln brannte. Auch hier ist es zumindest ein Teilerfolg, dass die Zertifikate noch einmal um zwei Jahre verlängert werden konnten.
Zudem sind wir natürlich sehr betroffen von der Problematik der fehlenden Finanzierung der Weiterbildung. Wir haben uns zunächst sehr gefreut, dass im Sommer 2023, am 3. Juli, die Anhörung zur Petition der Finanzierung der Weiterbildung stattgefunden hat. Wir haben die Aktion massiv unterstützt, hatten selbst schon vor zwei Jahren eine ähnliche Petition starten wollen. Die diesjährige Petition war ein großer Erfolg aller Beteiligten, der Studierenden, der Verbände der Niedergelassenen und der Institutionen, wie der federführend tätigen Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK).
Tatsache ist aber leider auch, dass trotz des großen Erfolgs der Petition bis heute keine Gegenäußerung des BMG erfolgt ist. Das Thema ist irgendwie auf der langen Bank gelandet. Damit ist die Zukunft unserer Profession deutlich infrage gestellt. Denn ohne gute Finanzierung der Weiterbildung hätte der ganze Kampf um ein neues Psychotherapeuten-Gesetz keinen Sinn gehabt – samt der vollständigen Umstrukturierung der Weiterbildung und dem damit verbundenen Engagement für bessere Arbeitsbedingungen in der praktischen Tätigkeit für die nachwachsende Generation von Kolleg*innen. Wenn nun das Ganze wieder prekär finanziert wird – und im Moment sind die Aussichten für eine angemessene Finanzierungsregelung eher dürftig – sind unsere Anstrengungen ins Leere gelaufen.
Unser Minister Karl Lauterbach äußert sich dazu, wenn überhaupt, nur sehr allgemein und unverbindlich. Konkrete Pläne, wie er, als verantwortlicher Minister, sich die Finanzierung der Weiterbildung vorstellt, legt er nicht vor. Trotz mehrfacher Anmahnung, auch durch den Gesundheitsausschuss des Bundesrats, kommt aus dem BMG keine Bewegung in der Angelegenheit. So sieht Verantwortung-tragen nicht aus! Hier stehen wir als Profession, aber auch als Verband bvvp, vor einer weiteren großen Herausforderung.
Umso erfreulicher war es für uns, als wir im August 2023 davon Kenntnis erhalten haben, dass die Krankenkassen, speziell der AOK-Bundesverband, eine Gesetzesinitiative anregen, bei der der Paragraph 92 (6a), in dem die Psychotherapierichtlinie geregelt ist, weiterentwickelt werden soll. Seitens der Krankenkassen wird eine Überprüfung des Antrags- und Gutachterverfahrens angeregt. Gleichzeitig wird in dem Antrag auf Gesetzesänderung im SGB V die Verkoppelung der Abschaffung des Verfahrens mit den neuen, aus unserer Sicht völlig unbrauchbaren Maßnahmen zur Qualitätssicherung der psychotherapeutischen Behandlung hinterfragt.
Für uns ist das sehr erfreulich, zumal wir als bvvp das Antrags- und Genehmigungsverfahren stets für wertvoll, wichtig und erhaltenswert erachtet haben. Außerdem halten wir die Konzeptualisierung der Behandlung für eine wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung Diese Meinung ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal unseres Verbands, aber wir waren seit 2019 mit dem Ziel des Erhalts sehr aktiv.
Auch wenn möglicherweise nicht das ganze Gutachterverfahren in der bestehenden Form weitergeführt wird, so wird vielleicht das Genehmigungs- und Antragsverfahren in einer digitalisierten Form in die Zukunft überführt werden können. Das Gutachterverfahren könnte dann noch als Rückfallebene für komplizierte, schwierige Fälle weiterhin eine Rolle spielen.
Insgesamt sind wir sehr froh, dass unsere geduldigen Vorgespräche mit Kassenvertreter*innen, dem GKV-Spitzenverband und auch mit Politiker*innen dazu geführt haben, dass eine Gesetzesänderung als sogenannter Omnibus im Anhang an das Digitalisierungsgesetz vielleicht eine Chance haben könnte. Wir hoffen sehr, dass uns dies mit vereinten Kräften gelingt. Natürlich sind auch andere Verbände und der Beratende Fachausschuss Psychotherapie auf Bundesebene in die Initiative eingebunden, genauso wie die KBV. Denn ohne einen breiten Konsens wird man so einen Gesetzesschritt nicht durchsetzen können.
Also, wie so oft liegen auch in der Berufspolitik Licht und Schatten nebeneinander. Noch ist es zu früh, sich über eine solche Gesetzesänderung zu freuen, aber immerhin, die Initiative ist aussichtsreich gestartet. Das wäre vielleicht auch unser größter Wunsch für das nächste Jahr, denn am Antrags- und Genehmigungsverfahren hängt ja auch ganz maßgeblich die zeitgebundene Vergütung und die BSG-Rechtsprechung.
Natürlich sind wir in Ihrem Interesse auch in den Sozialen Medien aktiv. Wir agieren dort nicht in einer spektakulären und um Aufmerksamkeit heischenden Art, sondern präsentieren Ihnen sachliche Argumente und wichtigen Informationen über unser Berufsfeld. Wir hoffen, über diese Kanäle auch den psychotherapeutischen Nachwuchs anzusprechen und auch zunehmend junge Mitglieder zu gewinnen. Besonders erfreulich ist, dass uns das auch gelingt. Der bvvp wächst, wenn auch langsam, und in diesem Monat, im Dezember 2023, haben wir die Marke von 6.000 Mitgliedern überschritten, was uns unheimlich freut.
Vielleicht freuen Sie sich mit uns und erzählen Ihren Kolleginnen und Kollegen vom bvvp und der erfolgreichen Vertretung Ihrer Interessen? Wir würden gerne auch die 7.000er Marke erreichen – und dann geht es weiter …
Wir wünschen allen ein frohes Weihnachtsfest und erholsame Tage zum Jahreswechsel!
Ihr
Benedikt Waldherr
bvvp Bundesvorsitzender
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