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TONI® und ich: erste Erfahrungen mit einer digitalen Gesundheitsanwendung

von Rebecca Borchers

Von Januar bis Oktober 2023 habe ich als Psychologische Psychotherapeutin an der Evaluationsstudie PsyTOM teilgenommen. In diesem vom Innovationsfonds geförderten Projekt unter wissenschaftlicher Leitung der FU Berlin und der PHB (Psychologische Hochschule Berlin) sollte herausgefunden werden, ob die klassische Psychotherapie besser / anders wirkt als Psychotherapie in Kombination mit Online-Modulen.

TONI® umfasst insgesamt zwölf störungs- und verfahrensübergreifende Module, in denen sich Patient*innen mit verschiedenen audiovisuellen Inhalten oder in Einzelübungen vertieft mit psychotherapeutischen Inhalten auseinandersetzen können. In der Einheit „Werte und Ziele“ zum Beispiel können die Teilnehmenden Therapieziele hinsichtlich ihrer kurz- und langfristigen Konsequenzen bewerten und einander gegenüberstellen. Oder sie werden angeleitet, die Übung „Rede zum 90. Geburtstag“ durchzuführen, wobei verschiedene Personen wie Familie, Freunde oder Arbeitskolleg*innen zu Wort kommen sollen. Neben den vorbereiteten Modulen gibt es einen Tracking-Bereich, in dem Patient*innen ihre Stimmung oder ein bestimmtes Zielverhalten systematisch protokollieren und visualisieren können.

Ob und wie wir als Behandelnde die Einheiten in die Therapie integrieren oder zur Überbrückung von Wartezeiten nutzen wollten, blieb uns überlassen. Ich persönlich habe die Module nach Absprache mit den Patient*innen frei geschaltet, wenn wir beide der Meinung waren, dass das eine oder andere Thema passend sein könnte.

Meine Patient*innen waren weitgehend offen für das Projekt. Lediglich zwei Personen lehnten eine Teilnahme aus Zeitgründen ab. Leider ließ diese Begeisterung jedoch im Verlauf schnell nach. Obwohl ich die Module regelmäßig in den Sitzungen nachbesprochen habe und passend zum aktuellen Thema neue Kapitel anbot, verschwand TONI® nach und nach aus meinen Behandlungen. Darauf angesprochen waren die Antworten ähnlich und ähnlich vage: Die Inhalte seien zu allgemein und wenig auf die eigenen Probleme anwendbar, es passe einfach nicht oder es sei das Gefühl entstanden, nichts Neues mehr durch TONI® lernen zu können (auch wenn noch zahlreiche Module offen waren).

Schade. Als Behandlerin fand ich die Themenauswahl gelungen, die Umsetzung ansprechend (auch wenn die schauspielerische Leistung in den kurzen Videosequenzen bestimmt kein Hollywood-Standard war) und den potentiellen Nutzen durch das hohe Maß an Individualisierbarkeit definitiv gegeben. Aber das Problem scheint mir bei allen digitalen Gesundheitsanwendungen ähnlich zu sein: die Motivation. Es ist eben etwas anderes, ob ich die Rede zu meinem 90. Geburtstag mit meiner Therapeutin gemeinsam erarbeite oder sie in meinen Browser tippe. Und im Alltag mit Job, Familie, Freunden ist es leicht, die Probleme zur Seite zu schieben und sich nicht mit unangenehmen Fragen konfrontieren zu müssen.

Ob neue Formen der KI-gestützten digitalen Gesundheitsanwendung dieses Hindernis überwinden, wird sich zeigen. Erste Prototypen mit Chatbots gibt es bereits, zum Beispiel CADY® (https://psychologie.uni-greifswald.de/cady/). Vielleicht lässt sich unser Geist täuschen und baut bereitwillig eine parasoziale Beziehung zum digitalen Gegenüber auf, was dann nicht nur das Potential digitaler Gesundheitsanwendungen vergrößern, sondern auch unsere grundlegende Position im Mensch-Maschine-Gefüge nachhaltig verändern würde.

Autor*in

Rebecca Borchers

Rebecca Borchers, Psychologische Psychotherapeutin, ist Schatzmeisterin im Landesverband Berlin und Mitglied im Jungen Forum des bvvp. Sie arbeitet ambulant im Jobsharing und ist angestellt in einem Privatinstitut für Psychotherapie.

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