Benedikt Waldherr
Es gibt mehrere Beweggründe, dem bvvp mein ganzes Berufsleben lang die Treue zu halten. Einen zentralen möchte ich gerne im Folgenden darlegen: Damit möchte ich auch die Bedeutung der Solidarität zwischen den Berufsgruppen hervorheben. Denn darum bin ich im bvvp und werde mich hier weiter engagieren, auch wenn ich jetzt nicht mehr im Vorstand aktiv bin.
Es muss um das Jahr 2003/2004 gewesen sein, als es in der Entwicklung des bvvp gerade eine richtige Hochphase gab. Die Honorar-Musterklagen waren erfolgreich verlaufen, das Honorar stabilisierte sich. Viele Kolleginnen und Kollegen erkannten den positiven Wert eines gemischten Berufsverbandes und die Mitgliederzahlen stiegen wie von selbst.
Der bvvp war auf Landes- und auf Bundesebene in vielen Gremien der KVen und der Psychotherapeutenkammern vertreten. Ich selbst war damals als erster Psychotherapeut im Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns aktiv und durfte dort in einem zehnköpfigen Gremium aus berufspolitisch hocherfahrenen Haus- und Fachärzt*innen mitwirken. Dort konnte ich viel lernen und habe verstanden, wie eine Kassenärztliche Vereinigung von innen funktioniert. Ich erfuhr unmittelbar, was es für ein hohes Gut ist, in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vertreten zu sein.
In dieser Zeit muss es gewesen sein, als ich bei einer Delegiertenversammlung in Fulda mit Hermann Metzger, dem damaligen Vorsitzenden des bvvp Süd-Württemberg, über die guten Erfolge, die wir im bvvp in den letzten Jahren gemeinsam erreicht haben, ins Gespräch kam.
Das erste Psychotherapeutengesetz von 1998 und die Integration in die KV-Welt war damals der wertvollste Erfolg – auch für mich persönlich als einem Psychologischen Psychotherapeuten, der dadurch einen gefestigten Rechtsstatus erhalten hatte. Ich weiß noch, wie tief berührt ich war, als sich nach zwölf Jahren Tätigkeit im Delegationsverfahren und nach damals schon sieben Jahren intensiver Berufspolitik meine Approbationsurkunde in Händen halten durfte.
Was damals aber viele Ärztliche Psychotherapeuten bewegte und betroffen machte, das war das zunehmende Erstarken der Psychologischen Psychotherapeutinnen. Damals wurden die ersten Landeskammern gegründet, die Bundespsychotherapeutenkammer wurde 2003 gegründet und damit bekamen die Psychologischen Psychotherapeutinnen ebenso wie die Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut*innen eine enorme Macht im System, die bis heute weiter angestiegen ist und auch für die Entwicklung der ganzen Profession extrem wertvoll war und nach wie vor ist.
Aber Hermann Metzger hat mich damals gebeten, immer daran zu denken, wie alles in den 90iger Jahren mit den Musterklagen begonnen hatte. Er warnte mich als Freund vor zu viel Übermut durch die sicherlich berauschenden Erfolge. Die Auswirkungen der Honorar-Musterklagen, die der bvvp am Anfang ab dem Jahr 1994 alleine auf den Weg gebracht hatte und zwar mithilfe der Ärztlichen Psychotherapeutinnen im bvvp, die damals schon KV Mitglieder und damit unmittelbar widerspruchsberechtigt waren, kamen allen, auch den Psychologinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, zugute.
Im Jahr 1994 hatte ich als Delegationspsychologe ja noch gar keine voll ausgeprägte, juristische Beziehung zur KV. Ich konnte gegen meinen Honorarbescheid keinen Widerspruch einlegen und natürlich auch nicht klagen. Das wäre nur indirekt, über meinen Delegationsarzt möglich gewesen. Diese gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen und Psychologischen Psychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, diese Solidarität war es immer, die mich so begeisterte am bvvp.
Hermann Metzger war mir damals in seiner berufspolitischen Entwicklung schon ein Stück weit voraus und hatte mehr Überblick als ich. Er war auch voller Skepsis, als die Ärztliche Psychotherapie wegen einer hoch anspruchsvollen Weiterbildungsordnung für den Facharzt für psychosomatische Medizin schon damals in einen Nachwuchsmangel hineinsteuerte.
Die Psychologische Psychotherapie und auch die Kinder und Jugendlichenpsychotherapeutinnen erlebten aber gerade einen enormen Aufschwung, nicht zuletzt durch die zunehmend effektiver arbeitende Kammerwelt. Durch die gesetzlich geregelte Ausbildung nach dem Psychotherapeutengesetz und die ansteigende Nachfrage nach dem neuen Ausbildungsberuf wurden die Kopfzahlen der PP und KJP im Verhältnis zu den Ärztlichen Psychotherapeutinnen zunehmend höher.
Er sagte damals zu mir einen denkwürdigen Satz, den ich bis heute nicht vergessen habe und der eigentlich bis heute mein inneres berufspolitisches Handeln leitet. Der Satz lautete: „Solidarität ist keine Einbahnstraße“.
Damit spielte er darauf an, dass die ärztliche Solidarität uns Psychologischen Psychotherapeutinnen in unseren Anfängen sehr, sehr viel geholfen hat. Dies droht in Vergessenheit zu geraten, gerade weil sich die Psychologischen Psychotherapeutinnen durch die Verkammerung immer noch besser in der Öffentlichkeit positionieren und profilieren können.
Dagegen habe ich nichts, aber man darf die Ärztliche Psychotherapie dabei nicht vergessen. Für die Vielfalt der Praxen und Berufsbilder in der Psychotherapie sind Ärztliche Psychotherapeutinnen unentbehrlich. Sie decken ein sehr wichtiges Teilsegment der Versorgung ab. Aber die damals beginnende Entwicklung hat sich fortgesetzt: Die Ärztlichen Psychotherapeutinnen wachsen nicht in dem Maße wie die Psychologischen Psychotherapeut*innen nach. Wir im bvvp haben auf diesen Aspekt unserer beruflichen Vielfalt einen sehr starken Fokus gerichtet.
Die Bedeutung der Solidarität zwischen den Berufsgruppen möchte ich mit diesem Statement hervorheben. Darum bin ich im bvvp und werde mich hier weiter engagieren, auch wenn ich jetzt nicht mehr im Vorstand aktiv bin.
Solidarität ist ein Begriff, der in Zeiten der politischen Spaltung, der „Angstmache“ vor bedürftigen Menschen aus anderen Weltregionen und der rechtslastigen Besserwisserei immer mehr an Bedeutung verliert. Für mich ist das Wort aber seit meinen aktiven Anfängen als Schulsprecher am Gymnasium 1974 bis heute ein überzeugender Wert. Seit 50 Jahren engagiere ich mich in Schule, Zivilgesellschaft, Studium und Beruf. Solidarität war immer ein Leitwert für mich. Darum ist für mich der bvvp der berufspolitisch überzeugendste Verband und meine berufspolitische Heimat.
Biografie
Seit 1987 ist er als Verhaltenstherapeut in Landshut niedergelassen und engagiert sich seit 1994 in der Berufspolitik. Von 2017 bis 2024 war er Vorsitzender des bvvp. Zuvor war er von 2002 bis 2017 erster Vorsitzender des bvvp in Bayern und von 2009 bis 2017 Mitglied der Psychotherapeutenkammer. Er hatte verschiedene Funktionen in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) inne, darunter als Mitglied der Vertreterversammlung und im Zulassungsausschuss. Zudem war er von 2001 bis 2004 Vorstandsmitglied der KVB und von 2005 bis 2010 Regionaler Vorstandsbeauftragter für Niederbayern. Seit 2010 ist er „Ehrenamtlicher Richter“ am Bundessozialgericht im 6. Senat.