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Grundlagen der psychotherapeutischen Berufspolitik

Wenn Sie sich entscheiden, den Schritt in die Berufspolitik zu wagen, um an unserer Seite die Interessen von Psychotherapeut*innen politisch zu vertreten, werden Sie sich mit den grundlegenden Strukturen des ambulanten Gesundheitssystems und der Selbstverwaltung vertraut machen wollen. Hier geben wir Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Gremien und Institutionen, mit denen Sie durch Ihr Engagement zu tun haben werden.

Was ist ein Berufsverband?
Ein Berufsverband setzt sich im privatrechtlichen Rahmen für die Interessen seiner Mitglieder und der gesamten Berufsgruppe ein. Der Unterschied zu einer Gewerkschaft ist, dass ein Berufsverband keine Tarifverhandlungen führt. Aus den Interessen ihrer Mitglieder definieren Berufsverbände ihre Ziele und Aufgaben, sodass sie flexibler agieren können als zum Beispiel die Berufskammern. Die gesetzliche Verankerung der Psychotherapie im Gesundheitswesen war zum Beispiel eine der wichtigsten Ziele der Berufsverbände, die mit dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes im Jahr 1999 erfüllt werden konnte. Um zu ermöglichen, dass Psychotherapeut*innen selbstbestimmt und eigenverantwortlich arbeiten können und die Rahmenbedingungen weiterhin stimmen, ist die Erfüllung der Aufgaben der Berufsverbände essentiell. Dazu ist es erforderlich, dass Aktive regional und auf Bundesebene in möglichst vielen Entscheidungsgremien mitwirken und Positionen in den Landespsychotherapeutenkammern und der Bundespsychotherapeutenkammer oder in den KVen und der KBV besetzen, um Einfluss auf die gesetzliche Entscheidungsfindungen und die Umsetzung gesetzlicher Regelungen nehmen zu können. Eine Mitgliedschaft ist stets freiwillig.
Welche Aufgaben haben die Psychotherapeutenkammern?

Die Landespsychotherapeutenkammern sind die berufsständische Vertretung der Psychologischen Psychotherapeut*innen und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen sowie der angehenden (Fach-)Psychotherapeut*innen. Eine Mitgliedschaft ist als approbierte*r Psychotherapeut*in Pflicht. Die Kammern sind Körperschaften öffentlichen Rechts.

In den Landeskammer gibt es Delegiertenversammlungen, deren Delegierte von allen Kammerangehörigen gewählt werden. Diese Versammlungen beschließen unter anderem die Satzung, die Gebührenordnung, die Schlichtungsordnung, die Berufsordnung, die Fort- und Weiterbildungsordnung und die Einrichtung von Fürsorge- und Versorgungseinrichtungen wie dem Versorgungswerk. Die Delegiertenversammlung wählt einen Vorstand, der in der Regel aus vier bis sieben Personen besteht, sowie eine*n Präsident*in. Zusätzlich gibt es beratende Ausschüsse in den Kammern, wie zum Beispiel Ausschüsse zum Haushalt, der Berufsordnung, der Weiterbildung, der Qualitätssicherung, der Nachwuchsförderung oder auch einen Beschwerdeausschuss.

Alle Mitglieder der verschiedenen Landespsychotherapeutenkammern sind automatisch Mitglied in der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Diese ist die gemeinsame Arbeitsgemeinschaft der Landespsychotherapeutenkammern, aber keine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Aufgabe der BPtK ist der ständige Erfahrungsaustausch, die gegenseitige Abstimmung der Ziele und Tätigkeiten und die gemeinsame Vertretung der Anliegen der etwa 40.000 Mitglieder der Landeskammern. Gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit, den Institutionen des Gesundheitswesens, den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen informieren die Landeskammern über die Belange der Psychotherapeut*innen.

Ärztliche Psychotherapeut*innen werden durch die Ärztekammern auf Landesebene vertreten, die durch die Bundesärztekammer (BÄK) unterstützt werden. Mitglied in der Kammer wird, wer „als Ärztin oder Arzt bestallt oder approbiert“ ist oder eine „Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes besitzt“, so zum Beispiel die Information auf den Seiten der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Wichtig zu verstehen ist: Ärztliche Psychotherapeut*innen sind ausschließlich Mitglied in der Ärztekammer und können nicht in die Psychotherapeutenkammer aufgenommen werden. Welche Rolle Kolleg*innen in Ausbildung in den Kammern einnehmen, können Sie hier lesen.

Welche Ziele und Aufgaben haben die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)?

Alle Vertragspsychotherapeut*innen und Vertrags*ärztinnen sowie in Praxen oder MVZs angestellte Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen sind zur Mitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung ihrer Region verpflichtet. In Deutschland gibt es 17 eigenständige KVen – eine je Bundesland, wobei sich NRW in die KV Nordrhein und die KV Westfalen-Lippe aufgeteilt.

Die KVen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie sind mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den gesetzlichen Krankenkassen für die Versorgung der gesetzlich Versicherten zuständig (Sicherstellungsauftrag). Sie regeln in Selbstverwaltung die Rechtsverhältnisse zwischen Vertragsärzt*innen und Krankenkassen sowie die Grundlagen und Inhalte der heilkundlichen Tätigkeit. Außerdem sollen die KVen die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber der Gesundheitspolitik und den Krankenkassen vertreten.
Auch bei der Honorarverteilung spielen die KVen eine wichtige Rolle: Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen rechnen Ihre Leistungen über einen Leistungskatalog, den Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM), mit den KVen ab. Hier sind alle Leistungen der ambulanten Versorgung und deren Vergütung aufgelistet. Im Bereich der Niederlassung führen die KVen Arztregister, die die Kassensitze der Region dokumentieren. Darüber hinaus ist die KV auch Ansprechpartner für alle beruflichen Fragen oder Beschwerden. Genaueres zu den Wahlen in den KVen erfahren Sie auf unserer Sonderseite KV-Wahlen.

Mögliche Ämterbesetzung durch Psychotherapeut*innen in KVen oder in der KBV

  • Vertreterversammlung (je nach KV umfasst diese 30 bis 50 Mitglieder)
  • Mitwirkung im Beratenden Fachausschuss Psychotherapie oder angestellte Ärzte*innen/Psychotherapeut*innen
  • Beteiligung in den Hauptausschüssen
  • Mitwirkung als Vertreter*in in anderen Ausschüssen, wie Zulassungs- oder Beschwerdeausschuss
  • Psychotherapeut*innen können auch in den KV-Vorstand gewählt werden

 

 

Was macht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung bündelt die KVen der einzelnen Bundesländer in einem Dachverband und koordiniert die Abstimmungen der KVen untereinander. In verschiedenen Ausschüssen wird hier die Umsetzung von Richtlinien und gesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene vereinheitlicht.

Das wichtigste Gremium ist auch hier die KBV-Vertreterversammlung, die alle sechs Jahre im Anschluss an die Wahlen in den KVen gewählt. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Ärzt*innen und den PP und KJP.
Die Vertreterversammlung der KBV umfasst 60 Sitze. Sechs davon (= 10 Prozent) stehen den PP und KJP zu, 34 den in den 17 KVen gewählten Vorständen. Davon steht jeweils ein Sitz dem hausärztlichen und ein Sitz dem fachärztlichen Vorstand der jeweiilign KV zu. Und die restlichen 20 werden von ehrenamtlichen Mitgliedern der Vertreterversammlungen der KVen besetzt. Die Verteilung richtet sich nach der Größe der jeweiligen KV. Die Ärzte*innen sind damit direkte Vertreter*innen der Landes-KVen.
Für die Wahl der sechs Vertreter*innen (10 Prozent der Vertreterversammlung) der PP und KJP trifft sich ein eigener Wahlkörper in Berlin. Dieser besteht aus allen in die Vertreterversammlungen der KVen gewählten PP und KJP. Diese wählen dann aus ihrer Mitte die sechs Vertreter*innen für die KBV.
Aktuelle Informationen der KBV finden Sie hier.

Gesprächskreis II (GK II)

Im Gesprächskreis II, kurz GK II, haben sich derzeit (Stand 5/2022) 36 psychotherapeutische Berufsverbände und Fachgesellschaften zusammengeschlossen. Hier diskutieren Vertreter*innen der jeweiligen Verbände ein bis zwei Mal jährlich zu aktuellen Themen der Psychotherapie. Die Anzahl der Vertreter*innen bemisst sich nach der Größe des Verbands. Es werden gemeinsam politische Initiativen erarbeitet und Resolutionen verabschiedet.

Die Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung in der deutschen Gesundheitspolitik. Er wird gebildet aus der KBV, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem GKV-Spitzenverband. Die Aufgabe des G-BA ist es, den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach dem neuesten Stand medizinischer Forschung zu konkretisieren. Auch für die Qualitätssicherung der Institutionen im Gesundheitswesen ist der G-BA zuständig.
Merke: Alles, was mit „Richtlinie“ endet, wird in G-BA verabschiedet, so auch die Psychotherapie-Richtlinie.

Den Vorsitz des G-BA nimmt eine unparteiische Person ein, die den G-BA nach außen vertritt und die Sitzungen leitet und vorbereitet. Teil des Gremiums sind zudem zwei weitere unparteiische Mitglieder sowie je fünf Vertreter*innen der gesetzlichen Krankenkassen und der Leistungserbringer (KBV, KZBV; DKG).

Innerhalb des G-BA gibt es verschiedene Unterausschüsse, die außerhalb des Plenums nicht-öffentlich tagen. Dazu gehören unter anderem die Unterausschüsse Bedarfsplanung, Qualitätssicherung und Psychotherapie und psychiatrische Versorgung. Jeder Unterausschuss besteht aus einem unparteiischen Mitglied (Vorsitz des Unterausschusses), sechs Mitgliedern, die vom GKV-Spitzenverband ausgewählt werden, und sechs Mitgliedern, die von den Leistungserbringern benannt werden.

Auch einige Patientenorganisationen sind berechtigt, Anträge in den G-BA einzubringen, haben allerdings kein Stimmrecht. Aktuelles aus dem G-BA erfahren Sie hier.

Das Sozialgesetzbuch V (SGB V)

Das Sozialgesetzbuch V beinhaltet die für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen Vorschriften. Der Staat hat darin große Teile seiner Verpflichtung zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung an die Selbstverwaltung der Krankenkassen und Ärzt*innen sowie Psychotherapeut*innen (Kassenärztliche Vereinigungen, KBV, G-BA) abgegeben. Wichtigste Inhalte des SGB V sind die Sicherstellung der ambulanten kassenärztlichen Versorgung und die Rechtsverhältnisse zwischen Vertragsärzt*innen/Vertragspsychotherapeut*innen und Krankenkassen. Dazu gehören auch die Regelungen zur Honorarverteilung. Wichtig für Psychotherapeut*innen ist hier unter anderem, dass die Heilberufe Psychologische*r Psychotherapeut*in sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in gleichberechtigt mit den Vertragsärzt*innen in das System der Kassenärztlichen Vereinigungen integriert sind.
Außerdem sind für Psychotherapeut*innen das Psychotherapeutengesetz (PsychThG), die Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (PsychThApprO), die Psychotherapierichtline (vom G-BA beschlossen), die Musterberufs- und weiterbildungordnung (M(W)BO), der Bundesmantelvertrag für Ärzt*innen und einige weitere Richtlinien und Regelungswerke von Bedeutung. Mehr zu den Gesetzen lesen Sie in unserer Broschüre „Der Psychotherapeut im Gesetz“.