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Eklatanter Mangel stationärer Psychotherapie in Psychiatrie-Kliniken

von Gerhild Rausch-Riedel

In psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken wird viel zu wenig hochwertige Psychotherapie angeboten. Deshalb ist das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dazu aufgefordert, die Psychiatrie- und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) zu beanstanden, da der gesetzliche Auftrag der Stärkung von Psychotherapie in den Kliniken nicht umgesetzt wurde!

Seit 2020 müssen psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen – so der Auftrag des Gesetzgebers – gegenüber dem G-BA belegen, dass sie die Mindestanforderungen für eine qualitativ hochwertige Patient*innenversorgung auch einhalten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in diesem Herbst in der Richtlinie die Mindestanforderungen für die Behandlung in psychiatrischen Kliniken nach unten angepasst – auf nun nur noch 49 Minuten Psychologischer Psychotherapie wöchentlich und 207 Minuten an ärztlicher Behandlung wöchentlich. Bei letzterer wird nicht differenziert, ob in dieser Zeit gegebenenfalls auch Psychotherapie geleistet wird. In den Psychosomatischen Abteilungen wird für die ärztliche Therapie zumindest ein Mindestmaß von 265 Minuten pro Woche und bei psychologischer Psychotherapie von immerhin 132 Minuten angesetzt.

Daraus muss man folgern, dass hochwertige Psychotherapie in diesem eng gesteckten Rahmen gar nicht erfolgen kann, im Rahmen der ärztlichen Behandlung ist dies umso weniger möglich. Selbst Psychiatrieverbände bemängeln diese Anpassung nach unten und bestätigen den kritikwürdigen Befund.

Wenn aber bei den Patient*innen, die der Psychotherapie zugänglich sind, zu der psychiatrischen keine psychotherapeutische Behandlung hinzukommt, ist der Versorgungsauftrag gerade für dieses (oft besonders leidende) Klientel nicht erfüllt und das ist einfach nur beschämend.

Problematisch ist auch, dass der Schwerpunkt der Behandlung in psychiatrischen Abteilungen auf der Psychopharmakologie liegt, eine indizierte Psychotherapie selbst bei hohem Engagement vieler der dort tätigen ärztlichen Kolleg*innen oft nur supportiv angeboten wird.

Die Kliniken begründen dies damit, dass die Verweildauer zu kurz sei, Patient*innen meist nur wenige Wochen in stationärer Therapie seien. In dieser Zeitspanne könne in der Behandlung nur auf die Linderung nach einer akuten Verschlimmerung einer Symptomatik abgezielt werden, darauf, einen Suizid abzuwenden oder rasch Symptome zu reduzieren. Doch diese Argumentation ist aus meiner Sicht nicht stichhaltig. Bei Einsatz entsprechend hoch qualifizierten psychotherapeutischen Personals ließe sich der Gegenbeweis antreten.

Auf den psychosomatischen Stationen, in denen das Dreifache an Mindestzeit für Psychotherapie verpflichtend gesetzt ist, kann man beobachten, dass es deutlich besser gelingt und Patient*innen hier in psychotherapeutische Behandlung kommen, obwohl die mögliche Behandlungszeit nur einige Wochen umfasst.

Denn auch wenn Verhaltensänderungen (in VT) oder Linderungen über emotionale Erkenntnisprozesse (in TP) in wenigen Wochen kaum zu erreichen sind, könnten Patient*innen dennoch von einer beginnenden Psychotherapie profitieren. Zu betonen ist jedoch immer, dass eine hochwertige Psychotherapie gemeint ist, die mit entsprechender Therapieexpertise von Psychotherapeut*innen geleistet wird, seien sie ärztlich oder psychologisch aus-, weiter- oder fortgebildet.

Denn auch auf psychiatrischen Stationen sind sehr wohl Konzepte denkbar, nach denen Patient*innen ein bis zwei Wochenstunden im Einzelsetting und zwei bis drei Wochenstunden in Gruppensitzungen (psychodynamisch, verhaltenstherapeutisch oder systemisch) psychotherapeutisch behandelt werden könnten, und davon auch deutlich profitieren würden. Eine von ausgewiesenen Psychotherapeut*innen durchgeführte Psychotherapie würde – zusätzlich zu den ergänzenden Angeboten wie Ergotherapie, Soziotherapie, Bewegungstherapie etc. – zu einer besseren und höherwertigen Behandlung im stationären Setting beitragen.

Dass dazu derzeit noch Personal von Psychotherapeut*innen – ärztlichen wie psychologischen – fehlt, ist offensichtlich und bedauerlich. Daher muss hier deutlich aufgestockt werden.

Ebenso ist eine bessere sektorenübergreifende Zusammenarbeit mit ambulanten Praxen und Instituten vonnöten. Die ambulante Psychotherapie bildet immer noch die Königsklasse, wenn es um hochwertig wirksame Psychotherapie geht. Neben Instituten bieten ambulant tätige Psychotherapeut*innen eine Haupt-Ressource, wenn es um die angewandte Lehre und die Ausbildung geht, auch um die Weiterbildung der zukünftigen Fachpsychotherapeut*innen.

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich auch die Kliniken beteiligen, dem Nachwuchsmangel an – gerade auch ärztlicher – Psychotherapie entgegenzuwirken. Und dieser wird sich noch deutlich verschärfen, wenn nicht bald gegenreguliert wird. Im Sinne der Patient*innenversorgung ist es dringend notwendig, hier zu investieren und kluge Versorgungskonzepte im ambulanten und stationären Sektor auf den Weg zu bringen.

Autor*in

Gerhild Rausch-Riedel

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Niederlassung als Ärztliche Psychotherapeutin in Bielefeld ab 2007, seit 2016 in Gemeinschaft, Mitglied im Landesvorstand bvvp-WL e.V., Stellvertretendes Mitglied im Beratenden Fachausschuss der KVWL, Stellvertretendes Mitglied im Zulassungsausschuss der KVWL, Besitzerin im Bundesvorstand des bvvp

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