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Das Undenkbare rückt näher: Sprechen wir miteinander!
- 4. Mai 2022
- Gesellschaft
Auf einer der letzten berufspolitischen Versammlungen, an denen ich teilnahm, wurde der Ukraine und der Opfer des Krieges gedacht. Der Vorsitzende des Gremiums berichtet von einer Begegnung mit Flüchtlingen, war selbst von dem Erlebnis tief betroffen, den Tränen nahe. Er erinnerte sich an seine eigenen Erfahrungen mit seiner Großmutter im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Alle nachfolgenden Redner drückten ihr tiefstes Mitgefühl für die ukrainischen Menschen aus und alle berichteten, selbst sehr berührt, von eigenen familiären Erfahrungen. Ich war überrascht, wie die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg mit einem Mal kollektiv so unvermittelt und intensiv wieder präsent waren.
Nach mehr als 70 Jahre Frieden in Westeuropa sind wir durch den Ukrainekrieg plötzlich wieder mit der existentiellen Auseinandersetzung mit Todesdrohungen und Tod konfrontiert, das Undenkbare rückt plötzlich so nah.
Viele von uns haben Großeltern und Eltern, die durch den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit sehr belastet waren, manche haben diese Zeit selbst noch erlebt. Das hat, wie das obige Beispiel zeigt, Einfluss auf uns, sowohl auf Patient*innen als auch auf uns Psychotherapeut*innen. Welche Erfahrungen werden dadurch getriggert? Wie wird sich die Weltordnung weiter entwickeln? Auch das schafft Unsicherheiten.
Im Moment steht das westliche Europa in bewundernswerter Einigkeit gegenüber Putin und mit Mitgefühl und großer Hilfsbereitschaft den ukrainischen Menschen gegenüber. Doch was für langfristige Folgen im gesellschaftlichen Klima sind zu erwarten, wenn der Westen zunehmend selbst durch wirtschaftliche Sanktionen von Einschränkungen betroffen ist? Und wie können wir Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – um das Thema unserer öffentlichen Veranstaltung auf der Frühjahrs-Delegiertenversammlung in Mainz aufzugreifen – einer möglichen Spaltungen in der Gesellschaft entgegenwirken? Wie können wir „Ambivalenzen aushalten – Zusammenhalt fördern“, so der Titel der Podiumsdiskussion?
Unter den Geflüchteten wird es vermutlich viele Menschen mit Traumatisierungen geben, wie können wir hier am besten helfen, auch jene, die keine spezielle Traumaausbildung haben? Wie können wir therapieren trotz Sprachbarriere? – Und das ist sicher nur ein Ausschnitt aus der Vielzahl der vielen Fragen zu diesem Thema.
Wir wollen Ihnen mit unserem Diskussionsforum einen Raum bieten für den gemeinsamen Austausch über eigene Erfahrungen und Erlebnisse – auch zu möglichen Fragen der Behandlung unserer Patient*innen oder zu Hilfsangeboten – und die Vernetzung ermöglichen. Wir freuen uns über Ihre Beiträge. Sprechen wir miteinander!
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